Printmedien sind längst passé und werden total überbewertet. So scheint es jedenfalls, wenn man sich nur mal in den öffentlichen Verkehrsmitteln umschaut. Jeder starrt doch nur noch auf Bildschirme. Sei es der Rechner Zuhause, das Smartphone oder ein eBook-Reader. Wo man geht und steht wird Content konsumiert. Sind die guten alten Bücher etwa out geworden und für die schnell lebige Zeit einfach nicht mehr zeitgemäß?
Dieser Sachverhalt beschäftigt mich nun schon seit einiger Zeit. Mit meiner Tätigkeit als freie Journalistin, hatte ich bisher nur das Vergnügen für Printmedien zu schreiben. Dabei fiel mir ganz besonders auf, dass ich nicht selten Reaktionen von den Lesern in der Region bekommen habe. Ist das etwa ein Hinweis darauf, dass die gute alte Zeitung und das damit verbundene Papier doch noch lebt?
Sicherlich ist es vor allem regional zu betrachten. Google Trends ist sich allerdings sicher, dass es einen starken Abfall und somit auch in der Google-Suche gibt. Im Dezember 2011 war die Beliebtheit des Suchbegriffs E-Book auf seinem höchsten Stand. Diesen hat er danach jedoch nie wieder erreicht. Die Interessen-Kurve sank kontinuierlich und hat ihren Tiefstand im Dezember 2020 erreicht. Wort wörtlich kräht kein Hahn mehr nach den digitalen Büchern.
„Die Lust an der Literatur ist auch die Lust am Leben. Die Kunst, zu Lesen, in ein Buch hineinzufallen, darin zu versinken, kaum noch auftauchen zu können, ist ein Stück Lebenskunst.“
Elke Heidenreich
Eigentlich weiß doch jedes Kind, dass man in der Schule handschriftlich mitschreiben soll, da man sich -einmal zu Papier gebracht- das Geschriebene besser merken kann. Und wie soll man bitte in ein E-Book „hineinfallen“ wie Elke Heidenreich es ausdrückt? Für meine Vorstellung ist das nur möglich, wenn man jede einzelne Seite riechen, fühlen und schmecken kann. Diese Gefühle können ein lebloser, immer gleichbleibender Gegenstand doch gar nicht in uns auslösen. Zugegeben, auf Reisen sind die Reader ein sehr praktischer Reisebegleiter. Allerdings schreckt mich die Vorstellung davor ab, auch noch in den wertvollen Feierabendstunden in einen weiteren Bildschirm zu starren. Anscheinend geht es dabei nicht nur mir so. Google ist sich jedenfalls sicher: Der E-Book Trend ist abgeflacht, man greift wieder zum Klassiker: Dem guten, alten, vertrauten Buch.

Das Kriegstagebuch von Lt. Alexander Colville, 22. August 1944. Quelle: The Library and Archives Canada, Ottawa
Ein (Notiz)buch kann so viel mehr
Wenn ich mir vorstelle, dass die Menschen einst keine Bücher zur Hand gehabt hätten, wären wichtige historische Quellen gar nicht erst entstanden. Dabei handelt es sich um die Bücher, bei denen die Seiten erst noch „gefüllt“ werden müssen. Erlebtes und Gedanken zu Papier zu bringen, ist nochmal eine ganz andere Reise wie das reine Lesen. Sie ist aber nicht weniger wertvoll.
Die kanadische Regierung schickte 1943 einen Kriegskünstler in das Kriegsgeschehen nach Deutschland, um Erlebtes und Gesehenes künstlerisch und in Form von Berichten festzuhalten. Es war ein offizieller Auftrag. Die Kriegskunst steht dabei in englischer Tradition und wurde damals zur Verherrlichung von Schlachten eingesetzt.Colville schaffte andere Kunst und trug für persönliche Aufzeichnung sein handflächengroßes Notizbuch immer bei sich. Die Verarbeitung der Kriegswirren fand nämlich nicht in seinen offiziellen Werken und Berichten statt, sondern in den ganz privaten Aufzeichnungen und manchmal -schließlich funktionieren Künstler vorzugsweise visuell- auch Zeichnungen und Kritzeleien, die sich dort tummelten.
Was wäre gewesen, wenn A. Colville in Europa umgekommen wäre? Was hätte er da noch zu erzählen gehabt? Wenn man bedenkt, dass seine Methode schnelle Bleistift- oder Kohlezeichnungen vorsahen und das eigentliche Ölgemälde erst Zuhause, in Kanada, entstanden. Mit ihm wäre definitiv ein Stück Geschichte verloren gegangen.
Möchten wir nicht alle ein Stück Geschichte sein? Was bleibt von uns, wenn nicht unsere Erinnerungen und Geschichten? Wer wird sich noch an sie erinnern, wenn sie keiner mehr erzählt? Nehmen wir doch lieber Stifte zur Hand und malen, kritzeln, schreiben, zeichnen was uns bewegt, glücklich, traurig macht, was wir erlebt und gesehen haben, was in uns vorgeht, wovon wir träumen.
Ein Notizbuch ist etwas Langlebiges. Es verzeiht uns auch, wenn wir es mal fallen lassen, Wasser drüber kippen oder es im Gepäck eingequetscht wird. Kann das alles ein E-Reader auch abdecken? Liebe Lesefreunde, schreiben wir Geschichten von denen die Menschen noch in tausend Jahren erzählen können. Notizbuch zur Hand und aufgeschrieben. Auf die Plätze, fertig, los! (fcg)